
Photo: Marino Thorlacius (c) Vik Prjónsdottir
CENTURY OF THE CHILD Nordisches Design für Kinder von 1900 bis heute
„Aber der einzige richtige Ausgangspunkt bei der Erziehung eines Kindes zu einem sozialen Menschen ist, es als einen solchen zu behandlen während man gleichzeitig den Mut des Kindes stärkt, ein individueller Mensch zu werden.“ Ellen Key
Ellen Keys 1900 erschienenes Buch Century of the child gab der Ausstellung in den Nordischen Botschaften in Berlin ihren Namen. Dieses für seine Zeit äußerst fortschrittliche Buch prägte die Erziehungskonzepte in Schweden und in den nordischen Ländern nachhaltig.

Die Ausstellung zeigt die historische Entwicklung des Stellenwerts, den die Gesellschaft den Kindern beimaß. Ein Zeitstrang hilft, die Ausstellung zu gliedern und u.a. mit Möbeldesign, Kleidung, Spielzeug und Bücher facettenreich zu visualisieren. Historische Fotos von innovativen Schulbauten und Spielplätzen ergänzen die Präsentation. Medizinische Produkte und technische Hilfen für Kinder mit Behinderungen zeigen, wie gutes Design das Leben im Alltag der Kinder und ihrer Familien erleichtern und verschönern hilft.

Das Kindsein um 1900
Um 1900 wurden Kinder wie kleine Erwachsene behandelt. In bürgerlichen Familien hatten die Kinder ein eigenes Spiel- und Arbeitszimmer, oft abseits des häuslichen Zentrums. Eine Nanny versorgte sie, Hauslehrer waren für Erziehung und Bildung zuständig. Die Spielsachen sollten die Kinder auf ihre spätere Zukunft vorbereiten. Ihre Möbel und Einrichtung entsprach denen der Erwachsenen und wirkte wie eine Miniaturausgabe dieser. Die Kinder wurden gesehen aber nicht gehört, da war es umso wichtiger, ein liebevolles, kreatives Kindermädchen zu haben, das in Büchern wie in Carl Larssons Illustrationen und in Ellen Keys Buch Century of the Child beschrieben wird.

(c) Rosendahl Design Group

© Permafrost Foto:
Johan Holmquist
In den Arbeiterfamilien lebten die Kinder in prekären Verhältnissen. Oft teilte sich eine Großfamilie ein oder zwei Zimmer. Das Leben spielte sich deshalb zum Großteil auf der Straße ab. Viele Jungen und Mädchen mußten sehr früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen und konnten nicht zur Schule gehen. Gemeinnützige Stiftungen und Initiativen versuchten diesen Kindern dennoch Bildung und Erziehung angedeihen zu lassen. Sie organisierten Kinderhilfstage, Weihnachtsbasare und viele weitere Initiativen in denen den Müttern und damit den Kindern geholfen werden sollte.

In Sommercamps, wie dem 1912 gegründeten Barnens ö in Stockholm, wurden Kinder aus armen Verhältnissen in einer schönen Umgebung untergebracht und mit gesunder und nährstoffreicher Nahrung versorgt. Lichtdurchflutete helle Räume mit weißen Möbeln und gedeckten Tischen sorgten für ein einfaches und schönes Ambiente. Für kranke Kinder baute man Sanatorien. Eine staatliche Versorgung der Familien, die das Wohlergehen des Kindes in den Mittelpunkt stellt, hat bis heute in den nordischen Ländern Priorität.

Photo: Kela
Zwischen dem 1.-und 2. Weltkrieg
Die Kinder wurden in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg nach all dem Leid und der Zerstörung des Krieges zum symbolischen Versprechen auf eine bessere Zukunft. Die Verbesserung der Situation von jungen Familien wurde nun intensiv geplant. Neue Siedlungen, wie die Kollektivhuset in Stockholm wurden mit großen hellen Wohnungen und praktischen Küchen errichtet. In der Tradition der Gartenstädte lagen sie in sonnigen Parkanlagen mit Seen. Eine wesentliche Neuerung war auch ein leichter Kinderwagen.

Neue Spielzeuge sollten dem Spieltrieb des Kindes folgen und seine Kreativität fördern. Neben innovativen Möbelentwürfen von Alvar Aalto und Hans Wegner gab es auch in der Buchgestaltung entscheidende Neuerungen.

(c) Carl Hansen Sön
Es wurden Büchereien eröffnet, die erstmals eine eigene Kinderbuchabteilung hatten. Auch in der Schularchitektur gab es neue Konzepte. Hohe Licht durchflutete Hallen und Zimmer sollten für das Wohlergehen der Schüler sorgen und zum spielerischen Lernen einladen. Natürlich gab es auch Kritiker dieser neuen Erziehungsmodelle, die keine teuren „Vergnügungstätten für Kinder“ wollten. Letztlich haben sich jedoch vielfach unter Führung der Nordischen Sozialdemokraten die Befürworter durchgesetzt und den Boden für die umfangreiche Neuerung nach dem 2. Weltkrieg bereitet.

Eine kindgerechte Erziehung wurde als Basis einer demokratischen Gesellschaft erkannt. Von klein auf sollten sie zu demokratischen Bürgern erzogen werden, die am Familienleben teilnahmen und nicht mehr wie unmündige hilflose Wesen behandelt wurden. Die frühkindliche Erziehung wurde gefördert und durch die Umgebung der Kinder unterstützt.

Photo: Glósóli Ateljé David Puig Serinyà
Da oft beide Elternteile arbeiteten wurde eine flächendeckende Familienförderung eingeführt und 1974 war Schweden das erste Land, dass die Elternzeit für Väter ermöglichte.

Für die immer mobileren Eltern wurden leichte und zusammenklappbare Kinderwägen und Autositze erfunden. Wie der Autositz von Volvo (1974) oder die Wippe Baby Björn. Dank dieser Wippe können Eltern kleineren Arbeiten nachgehen, während ihre Babys sich mit sich selbst beschäftigen.

Photographer unknown
(c) Baby Bjorn
Warme, regenfeste und doch leichte Kleidung für Kinder u.a. von Marimekko oder HellyHansen werden bis heute durch ihr innovatives und schönes Design geschätzt.

courtesy Design Museum Helsinki
Bei all den schönen und gut gestalteten Entwürfen mit den höchsten Qualitätsansprüchen setzt das nordische Design heute, in einer Welt immer knapper werdenden Ressourcen, auch auf nachhaltiges Design für Kinder. Wie beispielsweise bei Little Sun, einer Solarlampe von Olafur Eliasson, die zum ständigen Begleiter eines Kindes wird. Vollständig aufgeladen, spendet sie bis zu 4 Stunden ein strahlendes Licht.

Photo: Merklit Mersha
(c)Little Sun
Oder wie beim tragbaren Vestergaard Wasserfilter, der wie ein Strohhalm funktioniert, und mit dem bis zu 1000L Wasser gefiltert werden können. Dank dieses Filters können Menschen in Regionen mit schwer zugänglichem Trinkwasser auch von verunreinigtem Wasser trinken ohne zu erkranken.

(c) Vestergaard
Die Liste der nordischen Innovationen ist lang und ich habe anhand einiger Beispiele versucht, die Bemerkenswertesten zu zeigen. Diese Entwicklung wäre, ohne die Fortschritte in der Sozialpädagogik und die daraus resultierende Wertschätzung der Kinder, womöglich nicht möglich gewesen. Die Ausstellung zeigt, dass Kinder in Sakndinavien im Zentrum des gesellschaftlichen Interesses stehen. Sie werden als Individuen ernst genommen. Es ist schon erstaunlich, dass erst 1979 die Vereinten Nationen das Jahr des Kindes ausgerufen und ihre universellen Rechte formuliert haben. 1990 haben schließlich alle Skandinavischen Staaten die Konventionen der Kinderrechte unterzeichnet und schon davor ihre Rechte geachtet und sie gefördert. Dazu gehören auch die Unterstützung von Familien mit Kindern und innovativen Lösungen auf dem Arbeitsmarkt.

Peters Chair,1944
© Carl Hansen & Søn
Die Ausstellung in den nordischen Botschaften ist eine verkleinerte Variante einer Ausstellung, die 2012 im MoMa in New York gezeigt wurde. Die Kuratoren Aidan O´Connor und Elsa Svenle haben diese Ausstellung in Zusammenarbeit mit den Museen Vandalorum, Värnamö in Schweden, dem Designmuseum Denmark, in Kopenhagen und dem Design Museum Helsinki in Finnland konzipiert.
Ein schön gestalteter, ausführlicher Katalog mit vielen Abbildungen kann in der Botschaft für nur 10€ erworben werden.
Wünsche viel Vergnügen, eure Gurbet!